„Finden Sie die Container!“
Ainur Abdina macht schier Unmögliches möglich und navigiert ihre Firma erfolgreich durch die Pandemie. Das nötige Selbstvertrauen und Know-how dafür hat die kasachische Unternehmerin durch das Managerfortbildungsprogramm bekommen.
Was wie eine Detektivgeschichte beginnt, ist einer von Ainur Abdinas ungewöhnlichen Aufträgen während der Coronavirus-Pandemie. Im Juni 2020, erinnert sie sich, bekam sie einen Anruf. Fünf Container mit hochwertigen Anlagen für ein Solarprojekt waren spurlos verschwunden, irgendwo auf dem Weg von China nach Kasachstan. „Finden Sie die Container“, bat der Mann am anderen Ende der Leitung sie inständig. Genau drei Tage hatte sie Zeit, die Anlagen für eine deutsche Firma ausfindig zu machen und nach Kasachstan zu transportieren. Was sie damals am häufigsten gehört hätte, sei das Wort „unmöglich“ gewesen, sagt Abdina. „Es war eine verrückte Zeit, Regeln und Vorschriften haben sich ständig geändert. Keiner wusste Bescheid, die Situation an den Grenzen war unübersichtlich“, sagt die Logistik- und Zollexpertin. Trotz der widrigen Umstände fand sie die Container schließlich an der chinesischen Grenze und schaffte sie in der vorgegebenen Frist an den Zielort. Als kurze Zeit später eine Delegation von Investoren eintraf, waren die Anlagen bereits installiert. Das Projekt war gerettet, der Kunde dankbar und Abdina erschöpft und zufrieden.
Managerfortbildungsprogramm hat Wurzeln für Erfolg gelegt
Wenn man Ainur Abdina fragt, woher sie das Selbstvertrauen hat, solche Projekte anzugehen, muss sie nicht lange überlegen. Das Managerfortbildungsprogramm habe die Wurzeln dafür gelegt, sagt sie. „Ich habe in Deutschland gemerkt, dass ich das kann, dass ich selbst Unternehmerin werden kann. Das war die wertvollste Erkenntnis“, sagt sie.
Dies Selbstvertrauen habe sie geleitet auf ihrem Karriereweg hin zur Geschäftsführerin eines eigenen Unternehmens.
Von der Lehrerin zur Unternehmerin
Als Ainur Abdina am Programm teilnahm, war sie 27. Sie hatte gerade ihren Job als Deutschdozentin in der Provinz Qostanai an den Nagel gehängt hat, um als Salesmanagerin in der Millionenmetropole Almaty neu zu beginnen. In Deutschland wollte sie „nur“ das nötige Know-how für den neuen Berufsweg erlangen. Doch sie bekam neben intensiven Trainingseinheiten noch viel mehr. „Das Programm hat mir nicht nur Wissen vermittelt, es hat mir auch meine Scheuklappen genommen“, sagt sie. Die darauffolgenden Jahre hielten eine steile Karriere für sie bereit. Nach Stationen in unterschiedlichen Firmen sowie einem Marketing-Studium an der deutsch-kasachischen Universität kam sie 2011 auf Empfehlung zur C. Spaarmann Logistics GmbH, einer Logistikfirma aus Brandenburg, die sich auf die osteuropäischen Märkte spezialisiert hat. Sie wurde Geschäftsführerin in Kasachstan und baute das Geschäft auf. 2019 ergriff sie die Chance, die Niederlassung als Inhaberin zu übernehmen. „Ich habe bei Spaarmann klein angefangen, mit einem Computer und einem Kollegen“, erinnert sie sich. Inzwischen trägt sie die Verantwortung für die ganze Firma mit drei Filialen und all ihren Angestellten. Unter ihren Kunden sind namhafte Unternehmen aus Deutschland und anderen Ländern.
Kooperation mit deutsch-kasachischer Universität
Seit ihrem Marketing-Studium pflegt Ainur Abdina gute Kontakte zur Universität. Sie nahm in ihrer Firma Praktikanten auf und hielt einige Jahre Vorlesungen. Ihr Thema: „Spedition und Verzollung von A bis Z“. Sie liebt diesen Ausflug zurück in die Lehre, hatte sie doch viele Jahre in ihrer Heimatstadt Deutsch an der Universität unterrichtet. Den Job macht sie ehrenamtlich; es liegt ihr einfach am Herzen, ihr Wissen weiterzugeben, sagt sie.
Wachstum trotz Corona
Als Abdina 2019 die Firma übernahm, wusste sie noch nicht, welche Herausforderung durch die Corona-Pandemie auf sie zukommen sollte. Glücklicherweise hatte sie rechtzeitig die Weichen gestellt. „Wir konnten innerhalb von 24 Stunden remote gehen“, sagt sie. Abdina hatte eine eigene Software für die Auftragsverarbeitung als Cloud-Lösung programmieren lassen, die kurz vor Corona fertig wurde. Dadurch konnten alle Mitarbeiter innerhalb eines Tages auf Home-Office umsteigen.
Neben laufenden Aufträgen ist es Abdina gelungen, Neugeschäfte zu generieren. Viele Spediteure in Kasachstan waren überfordert mit der Krisensituation. Für ein großes deutsches Industrieunternehmen konnte Abdina zum Beispiel Güter, die beim Zoll eingefroren waren, auslösen. Abdina freut sich über den neugewonnenen Kunden ganz besonders. Sie hatte jahrelang erfolglos versucht, ihn zu gewinnen. Jetzt, in der Krise, durfte sie unter Beweis stellen, wozu sie fähig war – und das, obwohl sie als Mutter von zwei kleinen Kindern besonders betroffen war von den Lockdown-Maßnahmen. Parallel zu ihrer Vollzeittätigkeit hat sie ihre einjährige Tochter betreut und der siebenjährigen Tochter den Schulstoff beigebracht. Trotzdem hat sie es geschafft, stets für ihre Mitarbeiter und Kunden da zu sein. In ihrer Freizeit entspannt sie sich gern beim Schwimmen und bei Yoga. Abschalten kann sie auch gut bei der Handarbeit, sie gestaltet Bilder aus Wolle und widmet sich traditioneller Häkelkunst.
Foto: © Ainur Abdina